Kulturell historischer Augenblick für St. Peter-Ording
08. Juli 2012 Hans Jörg Rickert

Mehr Kunst nach St. Peter-Ording zu holen, ist das Credo der im Februar gegründeten Kunstinitiative St. Peter-Ording. Als Ort dafür hatte man für die Sommermonate Juli und August die Strandkorbhalle Hungerhamm am Norderdeich in Ording ausersehen. Dieser von außen nun keineswegs hübsche, während der Saison leer stehende Zweckbau inmitten eines Parkplatzes jedoch bot Raum. Sein Inneres war bisher wenig interessant. Das gilt ab heute nicht mehr.- Dass sich dieser Bau aber innen nun so geglückt präsentiert, hätte man vor fünf Monaten wirklich nicht gedacht.

Kunstausstellung „Watt’n Meer!“ vom 7. Juli bis zum 2. September von Dienstag bis Sonntag jeweils 16:00 bis 19:00 Uhr verkündet das sich farblich abhebende große Schild rechts oben an der grauen Frontseite. Die Türflügel unter der Luke und der Hebevorrichtung für die Strandkörbe sind weit geöffnet. Im Eingangsflur über der Tür zu den vier großen Ausstellungsvierteln empfängt die Besucher das große Farbgebilde „Schwinge Morgenröte“ von Angelika Berger. Sie hat es aus dünner Seide in warmen Farben auf leichtem netzartigem Vorhangstoff gestaltet und erweckt Lust auf mehr. Die wird erfüllt, sobald man den Fuß in den ersten Teilraum gesetzt hat: Ausgewählte hervorragende Exponate, helle Wände, Licht von den Seiten, auf dem harten Betonboden eine lockere dünne Seesandschicht.

Nicht nur Dieter Staacken, Ehrenvorsitzender des Fördervereins für Kunst und Kultur Eiderstedt, die große Schar der Besucher war begeistert. In seinem Festvortrag anlässlich der Ausstellungseröffnung gratulierte er zunächst den Urhebern der Kunstinitiative, insbesondere ihrem Vorsitzenden Thomas Bartram, „zur Initialzündungs-Idee und vor allem deren Umsetzung.“ Für uns alle wäre dieses heute „eine kulturell-historische Stunde“.- Nach einem kurzen Exkurs über Fotografie als Kunst stellte er die Künstler in ihren Exponaten würdigend vor und verdeutlichte dabei die vielen Facetten anspruchsvoller Kunst-Fotografie.

Er begann mit den außergewöhnlichen, vom Flugzeug aus präsentierten Naturmotiven Walter Raabes, dessen Bilder „uns die Erhabenheit des Wattenmeeres in der Totale sichtbar“ machten. Sibille Rehder dagegen begegne der Natur fotografisch aus „Stehhöhe“ und verleihe ihren Motiven durch Minimal-Ausschnitte „eine eigene überraschende Monumentalität“. Frauke Petersen überführe mit Hilfe sandiger Raster-Reliefs oder Sandflächen vorgefundene Naturstrukturen in „erfundene Farb-Raum-Bilder“. Durch ihre Art der Komposition schaffe sie so Bilder, die sich „im künstlerisch offenen Aggregatzustand einer spannenden Dauer-Balance“ befänden. Bei Ulrike von Hoerschelmann emanzipierten sich ihre Motive der Wattfauna „durch gezielte Isolierung zu ästhetischen Solitären“. Die Biologin hat im Multimar Wattforum zunächst analog fotografiert und ihre Ergebnisse danach zur Herstellung von Stoffdrucken digitalisiert. Gisela Schmidt wiederum bedient sich der Fotografie und malt dann das sich in Dauerbewegung befindende Küstenelement Wasser. Sie meistere dabei in ihren Rundformat-Bildern die bildnerische Herausforderung, „einem solch flüchtigen Stoff eine so überzeugende Form zu geben“. Mit Angelika Berger , die „mit zarten, lichtdurchfluteten Symbolzeichen aus Seide“ den Traum vom Fliegen aufleben lasse, endete sein Bogen. Ihre schwerelosen Gebilde ließen „den Wind unter den Flügeln erahnen“.

Vor ihm hatten sich Bürgervorsteher Boy Jöns, Kreispräsident Albert Pahl und Claus von Hoerschelmann vom Nationalparkamt in Grußworten für diesen neuen, besonderen und auch „überdachten“ touristischen Ort bedankt, der Kunstinitiative weiterhin Erfolg gewünscht und Unterstützung zugesagt. Geschichte des Geländes „Hungerhamm“, die Mitwirkung des Menschen an der Gestaltung seiner Umwelt, die Natur als Impulsgeber für Kulturelles – diese und andere Aspekte in den Redebeiträgen ergänzten und bereicherten.

Thomas Bartram hatte sich schon in seiner Begrüßung über den so großen Zuspruch gefreut und allen Gästen, Freunden, Mitgliedern, Förderern und Sponsoren herzlich gedankt. Unter den vielen richtete er dabei einen besonderen Dank an den Parkplatzwächter Hartwig Kröger, der das Vorhaben konstruktiv und tatkräftig unterstützt hat. Und auf allen Ebenen habe er von der Tourismus-Zentrale sehr viel Unterstützung erfahren. Dafür dankte er stellvertretend Bürgermeister und Tourismus-Direktor Rainer Balsmeier.- Nach nur fünf Monaten entpuppe sich die Strandkorbhalle nun von innen als „wahres Schatzkästlein“. Der Weg dahin sei nicht nur wegen des „überzeugenden Ergebnisses“ eine Erfolgsgeschichte, „sondern weil dem Verein so viel Entgegenkommen und Hilfsbereitschaft und vor allem so viel Vertrauen entgegengebracht wurde und wird.“

Zwei kurze Ausblicke ließ sich Bartram schon zu Beginn nicht nehmen. Es soll auch im nächsten Jahr wieder eine Ausstellung geben, bei der es um das Land hinter dem Deich gehen werde. Als zweiten hat er dann das Gebäude für eine Verschönerung von außen über einen studentischen Architekturwettbewerb zwecks Präsentation kreativer Entwürfe und möglicher Umsetzung im Visier.

In seinem Schlusswort lud er zum Verweilen bei Kuchen und Getränken ein, dankte Künstlern und Mitwirkenden und scheute bei Kostenfreiheit nicht den Hinweis auf durchaus erwünschte Spenden. Dem kam Willi Bahrenfuß für die Allgemeine Wählergemeinschaft gleich mit einem Umschlag nach.
„Standing Ovations“ gab es. Sitzplätze waren auch nur wenige vorhanden. Aber nicht nur deswegen. Schließlich hat sich die so hässliche Strandkorbhalle dank großen ehrenamtlichen Engagements innerlich zu einer höchst ansehnlichen „Kunsthalle“ gemausert.